SPD Sulzbachtal

Ortsverein der Gemeinden Sulzburg u. Ballrechten-Dottingen

Unterbrechung der Infektionsketten: was heißt das eigentlich und wie kann das gemacht werden?

Veröffentlicht am 02.05.2020 in Kreisverband

In Gesprächen stelle ich immer wieder fest, dass vielen nicht klar ist, was das eigentlich sein soll, die „Unterbrechung der Infektionsketten“ und was das bringen soll. Und noch weniger klar ist, welche Maßnahmen notwendig sind, um dies zu erreichen.

Ich will dies an einem einfachen Beispiel erläutern. Viele von uns sind Krimifans und können es vermutlich nachvollziehen:

Die Polizei verfolgt einen Verbrecher im Auto, sieht ihn aber noch nicht. Bei der Verfolgung kommt sie an eine Kreuzung, bei der der Verbrecher beispielsweise die Wahl hat, drei verschiedene Straßen zu benutzen.

Wenn die Polizei nicht weiß, welche Straße benutzt wurde, müsste sie ab dieser Kreuzung drei Streifenwagen haben, um alle Fahrmöglichkeiten des Verbrechers zu kontrollieren. Kann sie aber zwei der drei Wege beispielsweise wegen Überwachungskameras ausschließen und dies auch an jeder nachfolgenden Kreuzung, dann bleibt die Verfolgung einfach.

Da der Weg irgendwann eine längere Strecke ohne Kreuzungen aufweisen wird, kann die Polizei am Ende des Weges , vor der nächsten Kreuzung, andere Streifenwagen platzieren, sich also vor den Verbrecher setzen statt ihm nur hinterher zu fahren und den Verbrecher stoppen.

Bei Viren ist dies etwas komplizierter, denn diese vermehren sich an jeder „Kreuzung“. Eine „Kreuzung“ ist bei Viren die Begegnung eines Infizierten mit anderen Menschen.

Hier kommt der inzwischen als Begriff bekannte Reproduktionsfaktor (R-Faktor) ins Spiel. Dieser Faktor gibt an, wie viele weitere Menschen von einem Infizierten im Durchschnitt infiziert werden. Betrachtet werden bei SARS-COV-2 immer 4-Tageszeiträume, weil dies der Rhythmik der Vermehrung des Virus zu entsprechen scheint.

Bei SARS-COV-2, dem Erreger der Erkrankung COVID-19, liegt der Basis-Reproduktionsfaktor (also der anfänglich natürliche R-Faktor) nach derzeitigen Erkenntnissen bei etwa 2,4. Das ist auf den ersten Blick niedrig, bei Masern liegt der Basisreproduktionsfaktor beispielsweise bei 15. Allerdings wird bei Masern durch Impfungen die Verbreitung begrenzt. Potentielle „Ansteckungsopfer“ werden nicht krank, da sie bereits Antikörper haben (Die „Polizei“ hat diese Straßen also bereits gesperrt).

Bei COVID-19 dagegen gibt es weder Impfung noch eine Grundimmunisierung in der Bevölkerung. Durch Kontaktbeschränkungen kann allerdings der aktuelle Reproduktionsfaktor gesenkt werden: je weniger Begegnungen es gibt, umso weniger Menschen werden infiziert. Aktuell liegt deshalb durch den Shutdown in Deutschland der R-Faktor bei etwa 1.

In der nachfolgenden Tabelle habe ich dargestellt, wie sich die Zahl der Infizierten bei steigender Zahl von Betrachtungszeiträumen bei unterschiedlichen R-Faktoren verändert, dabei ist berücksichtigt, dass Infizierte vermutlich nur in drei 4-Tageszeiträume, also 12 Tage lang andere infizieren können, weil sie danach tot oder geheilt sind:

Zeitraum (je 4 Tage)

R-Faktor

2,40

2,00

1,50

1,10

1,00

0,75

0,50

1

3,40

3,00

2,50

2,10

2,00

1,75

1,50

2

11,56

9,00

6,25

4,41

4,00

3,06

2,25

3

39,30

27,00

15,63

9,26

8,00

5,36

3,38

4

130,23

78,00

36,56

17,35

14,00

7,63

3,56

5

431,23

225,00

85,16

32,02

24,00

10,29

3,09

6

1.426,89

648,00

197,27

57,98

40,00

12,64

1,27

7

4.721,20

1.866,00

456,60

104,42

66,00

14,50

0,00

8

15.620,85

5.373,00

1.056,35

187,25

108,00

15,09

0,00

9

51.683,99

15.471,00

2.443,60

335,25

176,00

13,76

0,00

10

171.004,37

44.547,00

5.652,41

599,61

286,00

9,57

0,00

 

Liegt der R-Faktor beispielsweise bei 2, dann steckt ein Infizierter in einem Zeitraum von 4 Tagen 2 weitere Personen an. Es sind dann also 3 Infizierte unterwegs. In der zweiten Zeiteinheit von 4 Tagen stecken diese jeweils wieder 2 Personen an, dann sind also bereits 9 Infizierte unterwegs. Nach dem zehnten Zeitraum sind es dann bei einem R-Faktor von 2 mehr als 44.000 Infizierte. (Von denen einige bereits verstorben und andere bereits geheilt sind)

Deutlich wird, je schneller die Kontaktkette unterbrochen wird, umso besser.

Wie kann eine schnelle Unterbrechung erreicht werden?

  1. Bei nachgewiesen Infizierten müssen sofort alle körperlichen Kontaktmöglichkeiten zu anderen Personen verhindert werden (Quarantäne).

  2. Man muss zeitnah wissen, welche Menschen mit dem Infizierten so in Kontakt waren, dass sie sich selbst hätten infizieren können.

  3. Alle diese potentiell Infizierten müssen zeitnah auf Infektion getestet werden. So lange unklar ist, ob sie infiziert sind, müssen auch diese Personen isoliert bleiben. Um sicher zu gehen, dass keine Infektion vorliegt muss auch bei Menschen mit zunächst negativer Testung nach etwa 4 Tagen ein weiterer Test durchgeführt werden. Erst bei zwei negativen Tests kann die Isolation aufgehoben werden. Um ganz sicher zu gehen könnte anschließend noch ein Antikörper-Bluttest gemacht werden.

  4. Medizinisches und pflegerisches Personal und Menschen an „Knotenpunkten“, beispielsweise Verkaufspersonal, werden auch ohne Krankheitssymptome wöchentlich getestet.

Wird konsequent so vorgegangen, dann kann die „Restbevölkerung“ ohne allgemeinen Shutdown weiterleben. Werden Hygienemaßnahmen eingehalten, beispielsweise Mundschutz tragen, Hände gewaschen, dann kann der R-Faktor sogar unter 0,5 gesenkt werden. Könnte dies 24 Tage lang erreicht werden, wäre die Krankheit rechnerisch sogar erfolgreich bekämpft (was sich tatsächlich aber nicht erreichen lässt, weil immer wieder Infizierte nicht oder zu spät erkannt werden).

Was sind die Voraussetzungen, um so vorgehen zu können?

Ausreichend Personal und technische Möglichkeiten (die vieldiskutierte App) zur Kontaktverfolgung und ausreichende Testkapazitäten. Bei der aktuellen Zahl an Infizierten müssen bundesweit mindestens 2 Millionen Tests pro Woche durchgeführt werden können.

Achtung, ab jetzt wird es politisch!

Das oben geschilderte ist nicht erst seit COVID-19 bekannt. Spätestens seit dem SARS-Ausbruch 2003 in Südkorea ist klar, dass eine Pandemie nur mit den beschriebenen Maßnahmen begrenzt und letztlich besiegt werden kann. Süd-Korea hat aus 2003 die Konsequenzen gezogen und geht bei COVID-19 im Jahr 2020 genau wie beschrieben vor. Deshalb ist dort kein totaler Shutdown notwendig geworden.

Leider sind andere Länder, auch Deutschland, viele Jahre untätig geblieben. Das Gesundheitswesen wurde auf Kosteneffizienz getrimmt, Gesundheitseffizienz war zweitrangig. Und in Europa wurde zu spät reagiert, als klar wurde, dass die Pandemie unseren Kontinent erreicht hatte. Wir in Deutschland hatten noch Glück, dass die ersten massiven Ausbrüche in Italien, danach in Spanien und Frankreich und nicht bei uns auftraten. Wir konnten deshalb noch relativ frühzeitig Kontakte beschränken. Aber die Verantwortlichen müssen sich schon fragen lassen, ob es verantwortbar war, Fasnacht noch uneingeschränkt stattfinden zu lassen.

Die darauf folgende Reaktion des Shutdown war unvermeidbar und zielführend. Aber es kam zum nächsten Fehlverhalten. Obwohl schon im Dezember Virologen und Testlabors darauf hinwiesen, dass die Testkapazitäten ausgebaut werden müssten und dies durch die Kenntnis des genetischen Codes des Virus auch möglich gewesen wäre, reagierten die Gesundheitsverantwortlichen im Bund und in den Länder aus Kostengründen sehr zögerlich. Erst seit März werden die Testkapazitäten massiv ausgebaut. Allerdings sind die erforderlichen 2 Millionen Tests pro Woche noch immer nicht möglich.

Und ganz gravierend: obwohl seit spätestens Anfang März klar war, dass die für die Nachverfolgung zuständigen regionalen Gesundheitsämter diese Aufgabe personell nicht leisten können, wird erst Ende April, zwei Monate später, versucht, eine Personalaufstockung zu erreichen. Konkret für unser Gesundheitsamt (Freiburg und Breisgau-Hochschwarzwald): benötigt werden etwa 125 Personen zur Nachverfolgung, tatsächlich vorhanden sind 30. Aus Kostengründen, der Landkreis muss sparen, wurde bisher nicht aufgestockt. Erst jetzt, als der Bund zugesagt hat, die Kosten zu übernehmen, wird zögerlich eine Aufstockung angegangen.

Personal wäre ausreichend vorhanden: Reha-Kliniken schicken mangels neuer Patienten ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit „Null“, Studenten können ihren Nebenjobs nicht nachgehen und könnten einen Zusatzverdienst gut gebrauchen. Diese Menschen stehen für die Infektionsnachverfolgung zur Verfügung.

Natürlich kostet das beschriebene Vorgehen Geld. Aber deutlich weniger als der Shutdown der Wirtschaft und der Gesellschaft wie wir ihn jetzt erleben.

Das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald bietet wieder einmal kein gutes Bild im Krisenmanagement. Zu langsam, zu unflexibel, zu unentschlossen. Warum bei uns die Corona-Hotline auch jetzt noch werktags immer pünktlich um 16:00 Uhr seine Tätigkeit einstellt und an Wochenenden und Feiertagen nicht besetzt ist verwundert schon. Vielleicht sollte jemand der Verwaltungsspitze mitteilen, dass es eine Pandemie bei uns gibt?

Bernd Engesser

Homepage SPD Kreisverband Breisgau-Hochschwarzwald

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